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Zur Baugeschichte des Landgerichts

Die Generalsanierung: 1994 - 2001


Allerdings hatte der Zahn der Zeit am Gebäude Münzstraße 17 erheblich genagt. Das Gebäude war mangels ausreichender Bauunterhaltung heruntergekommen. Eine immer wieder ins Auge gefasste baldige Generalsanierung hatte dazu geführt, dass jahrelang nur noch das Allernötigste repariert worden war. Der Präsident des Landgerichts erhielt von auswärtigen Besuchern, die das Gericht anlässlich von Gerichtsterminen besucht hatten, sogar Schreiben, in denen die Besucher als Staatsbürger anmerkten, das Gebäude sei angesichts der der Justiz zukommenden Funktion in einem unwürdigen Zustand.

Nachdem eine Haushaltsvorlage für eine Generalsanierung in einem Zuge 1992 scheiterte, begann im September 1994 die Operation am arbeitenden Patienten, die bis Ende 2001 währte. Aus Mitteln der laufenden Bauunterhaltung wurden jährlich rund zwei Millionen DM aufgewendet, um bei laufendem Geschäftsbetrieb das Gebäude grundlegend zu sanieren. Die Dacheindeckung wurde erneuert, die Außenfassaden aufwendig gereinigt Hierdurch gewannen die zum Innenhof gelegenen Backsteinwände erheblich. Sie waren nach dem Zweiten Weltkrieg weiß gestrichen worden und wurden nun wieder freigelegt und neu verfugt. Im Inneren des Gebäudes wurden die Heizungs- und Elektroanlagen komplett erneuert und moderne IUK-Technik eingebaut. Zimmer, Flure und Säle wurden umfassend renoviert bis hin zum Einbau von Belüftungsanlagen in den meisten Sitzungssälen. Die Arbeiten im Inneren wurden in fünf Abschnitte aufgeteilt, indem der jeweils betroffene Abschnitt geräumt wurde. Durch den vorübergehenden Wegfall von Dienstzimmern und Sitzungssälen musste über Jahre hinweg improvisiert und zusammengerückt werden, ganz abgesehen davon, dass Lärm, Staub und Dreck jahrelange Begleiter bei der täglichen Arbeit in der Münzstraße 17 waren, so dass sich diejenigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schon fast glücklich schätzen konnten, die während des vierten Sanierungsabschnittes in Bürocontainern arbeiteten, die im Innenhof des Landgerichts aufgestellt waren.

Eine besondere Herausforderung, der sich das Staatshochbauamt Braunschweig I in anerkennenswerter Weise stellte, war der letzte Sanierungsabschnitt, in dem u. a. die Eingangshalle mit den Treppen und der Trakt mit dem Schwurgerichtssaal neu gestaltet wurde.

LG Braunschweig  
Die Eingangshalle
Diese Bereiche waren nach dem Zweiten Weltkrieg in den räumlichen Dimensionen wiederhergestellt worden, in der Ausstattung aber karg geblieben, den damaligen bescheidenen Verhältnissen Tribut zollend. Die für diesen Abschnitt vom Staatshochbauamt beauftragte Architektin Gabriele Schöning aus Wolfenbüttel entwarf für die Eingangshalle eine Gestaltung, die durch die Farbgebung und Verwendung von Glas, Edelstahl und Eichenholz für die schlichten und zurückhaltenden Einbauten sowie eine ausgeklügelte Beleuchtung die Großzügigkeit der Halle wieder voll erlebbar macht. Leichtigkeit und Transparenz werden beim Eintritt in das Gericht vermittelt, nicht Düsternis und Bedrückung wie vordem.
In gleicher Weise, wie das Ambiente der Eingangshalle allgemein anerkannt wird, ist auch die Gestaltung des Schwurgerichtssaals auf breite Zustimmung gestoßen. In ihm erinnerte nichts mehr an die ehemalige Pracht aus Vorkriegszeiten, die 1944 zerstört worden war. Die gesamte Einrichtung stammte aus der unmittelbaren Nachkriegszeit und zeigte deutliche Gebrauchsspuren. Bis auf die Mauern wurde alles entfernt und nach den Plänen der Architektin Schöning ein Saal geschaffen, der in seiner Anmutung nicht einschüchternd und bedeutungsschwer wirkt, sondern offen und funktional, dabei nüchtern aber würdig.
Schwurgerichtssaal  
Der Schwurgerichtssaal
Die aus amerikanischer Weißeiche gefertigte Einrichtung kommt ohne modische Attribute aus. Die technische Einrichtung ist auf dem neuesten Stand. Dabei stellen eine Besonderheit die an beiden Längsseiten installierten Rückprojektionsscheiben dar, die von allen Prozessbeteiligten und den Zuschauern eingesehen werden können. Über sie können z. B. Vernehmungen außerhalb des Gerichtssaales, Bilder, Filme, Diagramme und Augenscheinsobjekte, also z. B. das Tatmesser, projiziert werden. An diversen Plätzen des Saales können tragbare Computer (Notebooks) angeschlossen werden.
Mit Fertigstellung des dritten Sanierungsabschnitts kehrte das Oberlandesgericht zum 01.04.1998 mit zwei Senaten in das Gebäude Münzstraße 17 zurück und bezog wieder Dienstzimmer über dem Schwurgerichtssaal. Das war nötig, nachdem der Landgerichtsbezirk Göttingen zum Oberlandesgericht Braunschweig gekommen war. Kurze Zeit später folgte auch noch die IUK-Stelle des Oberlandesgerichts, für die das Landgericht die oberste Etage des Neubaus (Erweiterungsbaus) räumte.

Raumnot gibt es gleichwohl nicht, nachdem, anfangs bedingt durch Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Prozessordnungen (Streitwerterhöhung in Zivilsachen, Änderung der Zuständigkeit für Berufungen in Schöffensachen, Änderungen der Besetzung der Strafkammern), nunmehr bedingt durch die Haushaltsnöte des Landes, die Zahl der Richter und Richterinnen und damit auch der übrigen Beschäftigten seit 1994 kontinuierlich sinkt. Waren 1992 noch 59 richterliche Vollzeitkräfte beim Landgericht tätig, so sind es im Mai 2004 noch 46 "bei sinkender Tendenz". Gegenwärtig plagt das Landgericht nicht die lange bekannte Raumnot. Die zunehmende Personalnot bereitet Sorgen.

Herbert Hausmann
Präsident des Landgerichts

LG Braunschweig  

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